Sonntag, 10. Mai 2009

Es war einmal... ein Märchen...

1. Akt - der junge Knappe

"Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit, da ritt ein junger Rittersknappe allein durch Wald und Feld. Sein Ritter hatte ihn ziehen lassen, da für gewappnet er ihn befand. Die Welt sollte er erkunden, sich bewähren und den Namen des Ritters in Ehren tragen. Er hatte eine hohe Schule genossen und ward für bereit erklärt worden. Nun galt es die Welt zu erobern. Das eig'ne Leben sollt er meistern, der junge Knappe. Ein Ritter werdend, danach stand ihm der Sinn...

Doch viele Niederlagen erlebte der junge Held, als er, sich selbst überschätzend, der großen Kämpfe zu widerstehen versuchte. Er musste vieles noch lernen, da, jung und unerfahren, er vieles vom alten Ritter nicht hat lernen wollen. Sein Gott bewahrte ihn vorm sicheren Tode, doch erlitt er viele Wunden. Wunden, deren Narben er mit sich trug, die ihm jedoch eine gesunde Lehre waren. Noch viel zu lernen hatte er, das sah er ein. Auch wenn die Schule des Lebens manch schwere Prüfung abverlangte, da er ein störrisch Ding, so betrat er sie doch - stark gewillt zu lernen, was sein Herr ihn zu lehren gedachte.

2. Akt - am Hof der Gelehrten und Weisen

So führte ihn sein Weg an eine Ritterschule, auf der er manch wunderliche Ritter traf, von deren Stand er vorher noch nie gehört. Behutsam und mit viel Geduld ging man mit ihm um. Seine Narben versteckte der junge Knappe - keiner sollte sie sehen. Er schien umringt von Heiligen, die da makellos ihr Leben bestritten, als sei es ein Spiel von Kindesbeinen an. Er ersuchte ihre Regeln zu erlernen und passte sich an. Und doch sahen manche seine Narben - doch fragten sie nicht nach ihrem Ursprung. Wenn seine Narben, und manch noch off'ne Wunde, an den Tag trat, so bemerkten dies einige - und wandten sich ab. Es betrübte den kleinen Knappen.. Aber ein Ritter kennt keinen Schmerz! Und mutig bestritt er eine Prüfung nach der anderen.

Auch Mägde und Prinzessinnen tummelten sich am Hofe dieses Anwesens, welches der Bildung der ritterlichen Tugenden geweiht war. Mit mancher Magd und dem ein oder anderen Burgfräulein war es unserem Knappen vergönnt sich auszutauschen. Ein Fräulein von zierlicher Gestalt sprach ihn einst an und bat um seinen Dienst, den ein Gelehrter ihm zuvor schon aufgetragen hatte. Er tauschte viele Worte mit dieser Magd aus - und alsbald wuchs eine Freundschaft, wie sie auf dem Hof so noch nicht bekannt. Die Magd war reich an Weisheit und mit Demut wohl geschmückt. Der Knappe fand in ihr ein Wesen gleichgesinnt und gut, dem er vertrauen konnte. Er sprach mit ihr über eine Prinzessin, die eines fernen Tages er zu retten gedenkt. Sie lachte ihn bescheiden aus. Und unser Knappe? Er lachte mit ihr! Der Herr hatte ihnen einen Humor geschenkt, den zu teilen sie bereit waren. Die Freundschaft mit der Magd wurde rasch zu dem, wonach er sich sehnte: Einem Halt im Leben.

3. Akt - der Pilgermarsch

Eines Tages gingen 9 Anwärter auf das Rittertum auf einen langen Marsch. Die Pilgerstätte war ein wichtiger Abschnitt auf ihrem Weg zum reifen Ritter. Die Magd war mit dabei. Auch sie wollte ihrem Herrn und Gott dienen. Doch der Weg war weit und beschwerlich an manch trüben Tag. Die Gemüter oft beschwert und träge die Beine. Als eines Morgens eine Prüfung der Ritterlichkeit auf dem Weg kreuzte, versagte unser Knappe, und auch die Magd fiel hernieder. Als sie aufblickte, sah sie seine Wunden, und manche Narbe ward entblößt. Traurig senkten sich ihre Blicke, denn gar schön hatte sie die Freundschaft im Herz empfunden. Geschlagen und wund blickte auch er auf - und sah ihr entsetztes Gesicht. Traurig schaute er auf seine eigenen Wunden. Zu spät war es jetzt noch zu verbergen, wer er war. Es waren keine Wunden der Ehre, wie sie andere Ritter trugen. Sie waren selbstverschuldet, aus Leichtsinn und Dummheit. Und sie konnte ihn genau so sehen. Es schmerzte ihn gar sehr.

Doch dann geschah etwas, was er nicht für möglich gehalten hatte. Als sie sich von ihm abgewandt, blitzte etwas an ihrem Gewand auf. Er sah genauer hin - doch konnte er es nicht glauben! Ward sie nicht stets an seiner Seite gewesen, all die Jahre am Hofe? Wie konnte es sein, dass dieses Gewand er noch nie bemerkt?! Er wagte es nicht sich ihr zu nähern - doch wollte er wissen, was dies merkwürdig glänzende Stück Stoff zu bedeuten hatte. Er sah genau hin - und erschrak! Sie, die er stets für eine Magd gehalten, ward nicht weniger als die Tochter des Königs, dem er diente! Wie wenig er doch vom König wusste - doch hatte er schon viel von dieser Tochter gehört, die da so rein und keusch wie Silver, wie geläutertes Gold so wertvoll sei. Er sah sie an, wie ihr Gewand aus purem Gold und feinstem Silber gewebt zwischen ihrem Tageskleid funkelte. Das Gewand bekleidete ihr leuchtend-geschmücktes Herz. Noch nie zuvor hatte er es bemerkt, geschweige denn betrachtet. Und nun funkelte es heller als jeder Brilliant! Er war sprachlos...

Den Rest der Pilgerfahrt brachte er kein Wort mehr raus. Es tat weh zu wissen, dass sie ihn nun gesehen, in all seiner Hässlichkeit. Es tat weh zu spüren, wie sie sich abgewandt und in Schweigen gehüllt entfernte. Doch war sie es? Oder war nicht er es, der sich ihr nicht zu nahen wagte, sich selbt entfernend, vor Angst sich einer Magd zu nähern, die keine Magd da war. Er kannte sie nicht mehr, was mit Angst ihn gar erfüllte. Er ward ihrer nicht würdig, nicht mal zu sprechen er sich mehr traute... Konnte all die Jahre er blind gewesen? Es schauderte ihn gar sehr..

Nach Tagen der Wanderung kehrte erschöpft der Trupp bei Hofe ein. Doch einer fehlte. Der Knappe. Er hatte sich an der Pilgerstätte verkrochen - zu viele Gedanken plagten seinen gequälten Geist. Er saß betend auf einem Steine und las in der Weisheit, was alte Väter einst geschrieben. Nach Tagen der Ruhe kehrte er zum Hofe zurück - jedoch ohne Frieden. Er hatte etwas entdeckt, was zu äußern er sich nicht getraute. Eines der Burgmägde sah sein zerknirschtes Gemüt und sprach ihm in die Seele. Sie kannte die Prinzessin nicht, aber der Knappe tat ihr Leid. Er konnte nicht äußern, wonach sein Herz sich so bitterlich ersehnte. Ihm ward bewusst geworden, mit WEM er da seit Jahren sich unterredet hatte. Doch wem konnte er solch ein Geheimnis anvertrauen? Wer würde verstehen, welch Last auf seinem vernarbten, hässlichen Herz lastete? Nicht viele kannten seine Narben...

4. Akt - die Beichte

Eines Tages nahm er all seinen Mut zusammen (und der Herr im Himmel weiß, dass davon nicht sehr viel in ihm steckte), und er ging zur Magd, die da keine Magd war, und bat um eine Unterredung. Sie gewährte ihm eine Audienz, doch kam sie im Gewand der Magd, als die er sie für so viele Jahre gekannt hatte. Es fiel ihm schwer in ihre leuchtenden Augen zu sehen. Der Glanz des Königs umgab sie, so dass kein Lumpen der Welt ihn hätte verbergen können. Er sah sie an, doch ertrugen seine Augen ihr Antlitz nicht. Er versuchte zu sprechen, doch kein Wort wollte seiner Zunge entkommen, ohne dass die Lippen es nicht quälten, verdrehten und schlussendlich verworren ausspuckten. Noch nie hatte er in all den Jahren Sprachlosigkeit erlebt. Stumm saß er da und musste entsetzt mitansehen, wie Worte aus seinem Munde hüpften, die so zu sagen er nicht gedachte.

Verwirrt und voller Mitleid folgten ihre Augen seinen Händen, wie sie erfolglos versuchten die wirren Worte wieder einzufangen. "Ein Trauerspiel in E-moll" möge manch ein Virtuose spotten, hätte er den kleinen Knappen dort sitzen sehen. Doch die Prinzessin verstand... Er schaffte es nicht ihr zu sagen, aber sie wusste es schon. Klein und gebrochen schwieg er, seine Worte so unpassend gewählt. Die alte Freundschaft fehlte ihm in diesem Moment sehr, denn welch Schulter war nun da zum Lehnen und Stützen? Wo war er geblieben, der Halt, den einst er so genossen? Da saß sie nun - die Prinzessin, die für Jahre er nicht erkannt. Die in seinen Träumen er zu erobern gewünscht, doch deren Gesicht in selbigen er nie geschaut... Nun hatte sie ein Gesicht, und gar furchtbar vertraut schien es ihm. Sie hatte ihm die Beichte abgenommen, ohne dass ein sinnvoll Wort er hat gesprochen. Sie war die Tochter des Königs - es hätte ihn nicht verwundern sollen, dass sie solch Gabe hatte...

Sie ging. Schweigend. Er schaute ihr noch lange nach, als anmutig sie über den Hof zu ihrer Kammer schritt. Noch lange nachdem sie schon entschwunden, schaute er ihr nach. Obgleich kein Wesen mehr auf dem Hofe, so konnte er seinen Blick nicht abwenden von den Steinen, auf denen ihre Füße vor geringer Zeit noch glitten. Ihre Kammer war schon lange dunkel, als seine Blicke der Müdigkeit erlagen. Seine Augen schlossen sich und er kletterte wieder vom Fenster, in dem er für eine Ewigkeit gesessen zu haben schien.

5. Akt - der Kampf!

Tagelang lag er wachend am Fenster. Sein Blick konnte sich nicht losreißen von dort, wohin sie entschwunden war. Zu unglaublich schien ihm, was er da sah. Konnte diese Magd, die einst sein großer Halt im Leben war, wirklich die Prinzessin sein, von der er einst als kleiner Knappe geträumt?! Hatte er sich geirrt? War es nur seine Einbildung? Doch wo war der Mensch, mit dem einst er scherzte und lachte, fröhlich das Leben begrüßte und sorglos den Widrigkeiten des Lebens die Stirn bot? Wo war sie hin, die Magd, mit der er einst so tief verbunden, dass die Seelen sich verquickten? Er sehnte sich zurück nach der Person, die stets an seiner Seite kämpfte, um der Lehre der Weisen zu verstehen und zu leben. Wo war sie hin? Die Gefährtin, die da seinen Rücken deckte und so ehrlich mit ihm war? Wie konnte sie weg sein?!

Ein Kampf entbrannte in ihm. Er musste wissen, ob sie wirklich die Prinzessin war, die er glaubte entdeckt zu haben. Er ritt aus und suchte sie. Er fragte nach der Prinzessin, doch kaum einer schien zu wissen, wen er meinte. Er traf wenige, die ihr Geheimnis kannten. Sie wollten ihm nicht helfen, denn gar unansehnlich wirkte unser junger Held. So kurz vor dem Ritterschlag war er nun - kaum mehr ein Knappe zu nennen. Und doch verlor vieles mit einem Mal seine Bedeutung. Nicht, dass er kein Ritter mehr sein wollte, aber er musste sie finden! Mit Hilfe konnte er nur spärlich rechnen. Wer war ein Freund? Und wer war ein Feind? Er wusste nicht mehr ein noch aus. Doch ritt er tampfer weiter. Er musste erfahren, wer sie wirklich war!

Nach einem langen Ritt über viele Tage kam er auf eine Lichtung inmitten des Waldes. Dort saß sie, umgeben von 3 Rittern - oder zumindest schienen sie wie welche. Er selbst war noch nicht zu ihrem Rang aufgestiegen. Und doch wagte er es sich zu nähern. Die Ritter gewährten ihm Gnade, obgleich er sich gar unflätig verhielt, da er sie nicht gebührend grüßte, wie es ihr Stand verlangte. Unser Knappe, der nun ein Anwärter auf das Ritteramt war, riskierte viel. Er wusste, dass seine Ritterschaft damit auf dem Spiel stand. Auch ward er bereits gerufen in eine große Schlacht zu ziehen. Doch er brauchte Gewissheit, ohne welche er nicht bereit war in den Tod zu ziehen...

Die Ritter ließen unseren Knappen und die Prinzessin allein. Sie gingen in den Wald um sich zu beraten. Er aber, unser Knappe, kniete nieder und bat die Prinzessin um Wahrheit. Wahrheit... Das war etwas, was die Prinzessin als ihren persönlichen Schatz hütete. Sie nahm die Wahrheit, die sie in kostbares Papier eingewickelt hatte, und versteckte sie schnell unter ihrem Gewand. Ihre Schönheit konnte sie nun nicht länger verbergen. Ihre Nähe ließ das Herz des Knappen in seiner Brust erbeben. Wie konnte er es wagen sich ihr so zu nahen? Er schämte sich seiner eig'nen Unverfrorenheit.. Und dennoch bat er sie um ein Stückchen Wahrheit.

Sie zögerte. Sie wusste nicht, ob sie diesem Knecht, der vor Narben gezeichnet und entstellt, die selbst er zu verschulden hatte, einen so kostbaren Schatz anvertrauen konnte... Sie schwieg. Langsam holte sie die gut verpackte Wahrheit unter ihrem Gewand hervor. Sie ließ nicht zu, dass er, der er unverfroren und dumm war, die Herrlichkeit ihres Schatzes erkannte. Aber sie hatte Mitleid mit ihm. Sie, die Prinzessin, griff mit ihren zarten Fingern in die gut verhüllte Wahrheit. Aus ihrer Schachtel zog sie ein kleines, gleißend hell leuchtendes Erz - ein Stückchen Wahrheit - welches sie ihm, dem unwürdigen Knappen, schenkte. Als er es berührte, ward es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Sie WAR tatsächlich die Prinzessin!! Er sah an sich herab und erkannte jedoch auch, wer er war... Und Scham erfüllte sogleich sein Herz.

Er rannte weg. Beschämt. Geschmäht. Verloren. Entsetzt steckte er das Stückchen Wahrheit in seine Manteltasche. Es blendete ihn gar zu sehr.. Sie schmerzte in den Augen. Seine Ritterprüfung stand kurz bevor, doch seine Tränen schmeckten bitter und ließen nicht zu, dass er aufs Schlachtfeld zog. Für wen sollte er kämpfen? Sein Leben galt dem König, ebenso seine Loyalität. Als Ritter war er dem Höchsten verpflichtet. Seine Kraft sollte auf seinem Schild zu sehen sein. Doch schwach fühlte er sich - unwürdig zum Ritter geschlagen zu werden. Sie hatte ihn gesehen. Sie wusste, wie scheußlich er aussah, wie vernarbt sein Herz.. Wie sollte er mit diesem Wissen kämpfen? Der Kampf schien jetzt schon verloren. Und die Prinzessin? Zu erobern ein Herz aus Gold ward er nicht würdig. Sein Kampfgeist wurde müde...

6. Akt - der Brief des Königs

Eine Erkenntnis ereilte ihn, als er das Krümelchen gleißend-heller Wahrheit berührte. Ihr Vater, der König, hatte ihm einst einen Brief geschrieben... Er hatte lange Zeit nicht gewagt diesen Brief zu lesen. Zu heilig schien er ihm! Nun aber öffnete er den Brief, den er schon seit Jahren in seinem Mantel bei sich trug. Das Krümelchen Wahrheit war in seiner Manteltasche direkt neben den Brief gefallen. Er schaute in seine Tasche und der Brief schrie ihn förmlich an: "Öffne mich! Lies mich! Erkenne, was dein König dir zu sagen hat!" Ein mulmiges Gefühl überkam den Knappen. Nicht würdig ein Wort des Königs zu empfangen - so hatte er sich stets gesehen. Und nun sollte der Tag gekommen sein, an welchem dieser König ein persönlich Wort an ihn gerichtet sprechen sollte?

Er öffnete zaghaft den Brief. Das Siegel brach mit einem leisen Knacken, welches ihn an Abende seiner Kindheit im Wald erinnerte. Das Papier fühlte sich weich an - als sei es aus lebendiger Haut. Es roch nach Rauch, Holz und... sogar nach Blut. Unser Knappe wusste nicht wieso, aber der Geruch dieses Papiers erfüllte ihn zugleich mit einer tiefen Liebe, als auch Entsetzen! Langsam glitten seine Finger über die Schriftrolle, als er sie vorsichtig ausbreitete. Erstaunt las er die ersten Worte. Der König hatte ihm persönlich geschrieben. Sein Name stand ganz oben. Doch statt der Rüge, die er erwartete, standen dort die Worte, die ihm die Tränen in die Augen trieben: "Mein geliebtes Kind, ..." Als er seinen Namen las, welchen der König direkt nach diesen seinen Worten folgen ließ, brach sein Herz vor Entsetzen in Tausend Teile. Wie konnte dies sein??

Er las weiter - und jede Zeile, die vor Liebe und Sanftmut überfloss, zeigte ihm Wahrheit, die nicht mal mit dem gleißend-hellen Krümelchen in seiner Tasche vergleichbar war. Er las dort, dass er ein Kind des Königs war - adoptiert vor vielen Jahren. Aus Liebe. Und auch über die Prinzessin las er dort. Auch sie war adoptiert, aus einer guten Familie. Der König, sein VATER, hatte schon lange versucht ihm zu sagen, wie eine echte Prinzessin aussieht. Doch der Knappe hatte nicht hören, ja, nicht lesen wollen... Vergebens hatte er über Jahre nach einer Person gesucht, die er nicht hätte finden können, ohne den Brief.

Doch der Brief ging weiter. Der König schrieb ihm, dass all seine Wunden und Narben dem König nicht entgangen seien. Des Königs Boten hätten ihn schon sein Leben lang begleitet - unbemerkt. Sie griffen oft ein, doch stets unbemerkt. Sie bewahrten ihn vor unglaublich viel Leid, doch ließen sie auch vieles zu. Nichts jedoch entging dem König, der stets über jede neue Wunde und jede Narbe Bericht bekam. Der KÖNIG kannte ihn!! Er kannte ihn, wie der Knappe wirklich war! Es schockierte und beschämte den Knappen gar sehr... Wie konnte der König solch einen wie ihn nur sein eigen Kind nennen?! Unter Tränen las der Knappe weiter.. Der Brief des Königs war ernst. Der König wollte, dass der Knappe seine Ritterschaft antrete und in die Schlachten ziehe. Aber vergebens suchte der Knappe nach einem konkreten Auftrag - welche Schlacht meinte der König? Wo fand sie statt? Und wann?

7. Akt - der Nebel

Der junge Knappe legte den Brief erschöpft und überwältigt nieder. Es schien, als habe er eine Ewigkeit in diesem Wald verbracht. Er wusste nicht genau, wo er war. Die Lichtung war weit weg. Er war sehr weit gelaufen. War ihm die Prinzessin vielleicht gefolgt? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er einen Auftrag hatte. Jedoch wusste er nicht, wo diese Schlacht war! Er streifte orientierungslos durch die Wälder. Er suchte den Weg zurück. Sein Weg führte zum Rittertum, das wusste er jetzt. Doch wie kam er nach Hause? Wo war der Hof? Er irrte einsam in den Wäldern umher..

Da ertönte die Stimme der Prinzessin plötzlich aus dem Wald. Sie rief.. sie.. sie rief SEIEN Namen! Der Knappe wurde schrecklich traurig, als er sie rufen hörte. Er war weggelaufen. Nun erkannte er, dass er sehr weit weg war. Ihre Stimme war nur noch ein Säuseln im Wind. Er wollte ihrer Stimme folgen, doch ein dichter Nebel zog auf. Er rannte - mal hierhin, mal dorthin. Doch die Stimme wurde immer leiser, und seine Verzweiflung wuchs.

Langsam ging er durch den dichten Nebel. Er konnte nicht viel sehen, aber die Gewissheit zum Ritter geschlagen zu werden trieb ihn an. Er wollte alles daran setzen, seinem Vater Ehre zu machen! Und während er durch den Nebel schritt, begann er nachzudenken. Er hatte so viele Gelegenheiten vorbeistreichen lassen. Gelegenheiten, in denen er ihr so gerne gesagt hätte, wie wichtig sie ihm ist. Schon als Magd ward sie ihm zur besten Gefährtin geworden, die er sich hätte Wünschen können. Manch ein Knappengeselle ward nicht so gut ein Kämpfer wie sie. Er hätte ihrer Schwertkunst mehr vertraut als seiner eigenen! Auch im Dialog wusste sie klug zu kontern, was manch einen Gesell verblüfft zum Schweigen brachte. Und nun? Nun war er allein - im Nebel - gefangen in seinen Gedanken. Er hatte nun Zeit sich selbst zu erforschen. Er war noch immer hässlich und vernarbt. Jedoch nahm er allen Mut zusammen und knöpfte sein Hemd auf. Er wollte sich sein Herz selbst ansehen. Ein Blick auf sein eigenes Herz ließ ihn erschaudern. Nicht so sehr wegen all der Narben, sondern wegen dem, was er dort in seinem Herzen fand. Da brannte etwas, was er zuvor so noch nicht gekannt hatte.... Ein Feuer, dass bisher er stets nur in seinen Augen entdeckt.. Zum ersten Mal fand er es in seinem Herzen.. Die Flamme, die dort brannte, sang Lieder. Aus seiner Brust erhallten Lieder der Hoffnung und der Liebe durch den Nebel.

Er erschrak sehr! Konnte das wirklich sein?! War es das, was er befürchtete?! Wie konnte dies passieren? Hatte er doch schon seine Augen schlecht bewahrt, so doch wenigstens sein Herz - dachte er. Doch es ward bittere Realität. Ein Fünkchen Liebe hatte sich in sein Herz eingeschlichen, sich breit gemacht und eingerichtet. Es wohnte nun gar tief verankert in diesem Kämmerlein, welch einst sein Herz war. Und es sang Lieder! Lieder der Hoffnung. Genau das, was er am wenigsten gebrauchen konnte. Ihm war zum Weinen zumute, doch seine Ritterlichkeit verbat es ihm.

Er schritt weiter durch den Nebel. Er wusste, dass er bald auf einen Weg treffen würde. Alle Wege in diesem Wald führten zurück zum Hof, wo die Gelehrten schon mit der nächsten Prüfung warteten. Er war nicht besorgt, denn er wusste, er würde nach Hause kommen. Doch würde der Weg, den er findet, auch der Weg sein, den die Prinzessin geht? Der Nebel verdichtete sich... Unser Knappe ging vorsichtig weiter. Das Herz sang Lieder, die ihm weh taten. Sie war weg - und er war auf dem Weg. Auf einem Weg, dessen Ziel er nicht kannte. Irgendwo unterwegs würde seine Ritterprüfung kommen, und später dann die Schlacht. Wo? Wann? Das wusste er nicht. Ein dumpfes Gefühl machte sich breit: Was, wenn sein Herz ihm nur diese schönen Lieder vorsang, um ihn in die Irre zu führen? Waren es Lieder der Wahrheit, oder würden sie bald verstummen und zu Klageliedern werden? Er wusste es nicht.

Langsam schritt er weiter durch den Nebel. Das Ziel kannte er nicht - doch er ging schonmal los. Ob er die Prinzessin je wiedertreffen würde, war nun ungewisser denn je.

<...Fortsetzung folgt...>

7 Kommentare:

Juli hat gesagt…

Wunderschöne Geschichte, Herr Knappe.

ordi hat gesagt…

Nee nee nee, dies ist eine frei-erfundene Geschichte - nix Autobiographisches! Parallelen zu Personen im realen Leben sind wenn, dann zufällig.. :)

Anonym hat gesagt…

schneller bitte ordus :) ich bin soooo gespannt ... und ich vermiss dich immer noch hier in gießen !

Anonym hat gesagt…

Test-Kommentar von Regy

ordi hat gesagt…

ich habe mir überlegt, ob ich die Charaktere in dieser Geschichte nicht mit Namen versehen sollte? Mir gingen so Namen durch den Kopf wie Ethienne (der Knappe), oder Prinzessin Joya.. Die Mutter des Knappen wird auf jeden Fall in der nächsten Folge eine Rolle spielen - ich dachte da an Mona (und ggf. den Vater Mihai).. mal schaun!

Bin für Vorschläge offen! :)

PS: wann genau es eine Fortsetzung gibt, kann ich euch nicht sagen. Es hängt ja auch n bisschen von der Inspiration ab, gell? :)

Anonym hat gesagt…

absolut packend geschrieben. man fliegt gradezu über den text ... einerseits so schwebend, andererseits so tiefgründig!

wow ... wenn märchen war wären ... ^^

bin gespannt drauf, wie der drehbuchschreiber weiter macht ...

die anni ;)

ordi hat gesagt…

[bitte drauf achten, dass unser jedem Kommentar n Name oder Spitzname steht, da die Kommentare sonst nicht veröffentlicht werden - EGAL was für ein Inhalt drin steht. Danke an alle obenstehenden, die sich bisher daran gehalten haben!]