Mittwoch, 21. November 2007

Erwählung?

Die Frage nach Erwählung und Predestination beschäfigt wohl sehr viele Christen. In Amiland durfte ich auf eine riesige Front von Calvinisten treffen, bei denen Prädestination eine große Rolle in ihrer Theologie spielt. Hier am BSB ist das andere Extrem zu finden: Der freie Wille wird betont und Gott erwählt jene, die glauben, und verstockt jene, die ihr Herz selbst vorher verstockt haben. Dem Calvinismus wird seitens Arminianern und Freier-Wille-Vertretern "Willkür Gottes" vorgeworfen.

Hier ist mein Problem mit beiden Ansichten:



Calvinismus:
Gott hat alle Menschen geschaffen und darf daher auch frei über sie verfügen. Römer 9:21-22 spricht davon, dass wir Gefäße sind - einige gemacht zur Ehre Gottes, andere zur "Verderben" (englisch: destruction = Zerstörung). Da wir nichts tun können, was Gott nicht schon vorher wusste, dass wir tun würden, gibt es sogesehen keinen wirklich freien Willen. Gott verstockt die Herzen von denen, die Er nicht erwählt hat, und öffnet die von denen, die Er erwählt hat.

Gott führt Seine Erwählten zu sich - auch ohne Zutun des Menschen, damit Er alle Ehre für die Rettung bekommt (und nicht der Mensch, der sich auf die Schultern klopft und stolz sagt: "Ja, ICH habe mich für Gott entschieden").

Problem:
In der gesamten Bibel (AT als auch NT) fordert Gott die Menschen auf selbst aktiv zu werden und sich zu Ihm zu bekehren. Der freie Wille wird nirgendwo erwähnt, aber das Prinzip "freier Wille" ist schlichtweg überall!

Des Weiteren ist das Thema Evangelisation ein Problem: Wenn wir nicht evangelisieren, Gott aber weiterhin die, die Er erwählt hat, zu sich rufen möchte, werden wohl oder übel die Steine das Evangelium ausrufen müssen. Ist das wirklich Gottes Plan für Evangelisation? Macht es Evangelisation nicht obsolete? Wenn ja, warum hat Jesus und Paulus es dann soooo betont?



Freier Wille:
Gott kennt zwar die Zukunft und weiß auch, wie sich jemand entscheiden wird, bietet dennoch jedem die Chance sich zu bekehren. Wenn Er jedoch so und so viele Chancen gegeben hat und die Person ihr Herz verstockt, verstockt irgendwann Gott auch das Herz der Person (wie z.B. das des Pharaos). Gott "erwählt" also all jene, die Seinem Ruf folgen.

Problem:
In Römer 11:7 sowie in vielen anderen Stellen im AT sehen wir, dass GOTT die Herzen verstockt. Wenn wir der "freier Wille" Theologie folgen, dann folgt daraus, dass Gott jedem "so und so viele Chancen gibt, bevor Er ihr Herz verstockt". Mit anderen Worten: Gottes Geduld ist nicht endlos und schon gar nicht bis zum Tod, sondern kann (und ist?) zu Lebzeiten der Person schon erschöpft. Mit anderen Worten: Wenn jemand schon lange Zeit nicht-Christ ist, dann hat es doch gar keinen Sinn mehr die Person zu evangelisieren? Alte Omas und Opas sind dann sowieso schon hoffnungslose Fälle. Wie lang ist also die Geduld Gottes, bevor Er Herzen verstockt?



Wie man es auch dreht und wendet - ich finde es sehr kompliziert. Beide Fronten scheinen mir sehr problematisch zu sein. Das ganze Thema Erwählung finde ich problematisch. Ich habe da meine eigene Theorie, muss diese aber erstmal gegen die Bibel prüfen. Ich will nichts glauben (oder an nichts festhalten), was die Bibel nicht auch so lehrt. Ich möchte die Bibel sich selbst erklären lassen, nicht meine Vermutungen als Maßstab meines Bibelverständnisses nutzen.

Möge Gott uns helfen Texte so zu verstehen, wie ER sie gemeint hat - und unsere Vorstellungen und Erwartungen zurückzuhalten, auf dass diese nicht auf unser Verständnis eines Textes abfärben, sondern wir dem Text erlauben, unsere Vorstellungen zu korrigieren.

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1 Kommentar:

Tom G hat gesagt…

Ich persönlich finde die Antwort ist recht einfach zu finden, wenn auch nicht für jeden so leicht annehmbar. Es ist einfach beides wahr. Auch wenn das für uns widersprüchlich aussieht. Es ist nicht die einzige Sache in der Bibel, wo zwei Standpunkte einfach WAHR sind. Das wir Menschen da ganze Theologiebollwerke drumrum bauen mussten, war unnötig, ist aber leider geschehen. Und zwar oftmals aus Erklärungsnot, Angst und vielleicht auch Misstrauen heraus.
Es geht einiges den Bach runter, wenn der Mensch beginnt die Güte Gottes in Frage zu stellen.
Gruß Tom